Warum Offizier?

Was bringt einem dazu, die Offizierslaufbahn einzuschlagen? Wenig Freizeit, kaum Kontakt zu Familie, Freunden und Bekannten und ein anstrengender Alltag. All diesen Umständen setzen sich gewillte Offiziersaspiranten freiwillig aus. Was nun ist es, dass dieses Ziel so erstrebenswert werden lässt?

Wenn man Familie, Freunden und Bekannten gegenüber bekennt, Offizier werden zu wollen, gibt es im Allgemeinen nur zwei mögliche Reaktionen. Jene, die dem Militär gegenüber positiv eingestellt sind, unterstützen diesen Schritt und bringen zum Ausdruck, wie wichtig sie den Dienst zugunsten der Gesellschaft finden. Der Armee gegenüber eher kritisch Eingestellte fragen sich, wie man sich überwinden kann, einen solchen Mehraufwand auf sich zu nehmen.

Unter den Offiziersaspiranten kann man vielerlei Gründe feststellen, wieso jemand Offizier werden will. Sie reichen von früher Führungserfahrung über die Herausforderung der Ausbildung an sich, bis hin zum Pflichtgefühl dem eigenen Land gegenüber – um nur einige zu nennen. Zusammenfassend kann aber sicherlich festgestellt werden, dass die Ausbildung zum Offizier kaum ohne innere Überzeugung abgeschlossen werden kann. Zu gross sind die Anstrengungen, zu lange die Tage und zu hoch die Hürden, als dass sie keiner schlagkräftigen Gründe bedürfen würden.

Doch um der Fragestellung „Warum Offizier?“ gerecht werden zu können, ist ein Blick in die Vergangenheit wohl unabdingbar. Obwohl das Image der Offiziersausbildung und somit auch des Ranges Offizier wieder angesehener ist als noch vor wenigen Jahren, wird es wohl noch einige Zeit dauern, bis dieses wieder an den glänzenden Ruf nach dem zweiten Weltkrieg anknüpfenkann. Verbunden mit dem stärkeren Pflichtgefühl dem Vaterland gegenüber war damals auch die Bereitschaft, Offizier werden zu wollen, grösser. In den neunzigerJahren schien diese Entwicklung ihren Tiefststand erreicht zu haben. Seit der Armeereform, welche unterdem Namen „Armee XXI“ bekannt ist, wurden aber die Ausbildungszeiten für die Weitermachenden generell verkürzt. Dies hat zusammen mit der angepassten Besoldung angehender Kader und der zeitweise durchzogenen Arbeitsmarktsituation massgeblich zur Attraktivitätssteigerung beigetragen.

Grundlegend können wir also beobachten, dass die Grundbereitschaft Militärdienst zu leisten wieder grösser geworden ist. Allerdings ist im Gegensatz dazu die Anzahl der nach der Rekrutierung für militärdiensttauglicherklärten stetig am abnehmen. Dies deutet auf einen etwas freizügigeren Umgang mit der Untauglichkeitserklärung gegenüber früher hin. Einerseits aus Bestandsgründen, andererseits aus versicherungstechnischen Belangen ist es heute schon fast zum Spaziergang verkommen, sich dem Militärdienst zu entziehen. Umso mehr ist beachtlich, wie viele junge und engagierte Persönlichkeiten bereit sind „mehr zu leisten“ und ein Jahr anspruchsvolle und unbequeme Ausbildung auf sich zu nehmen. Unbequem deshalb, weil die heutige Gesellschaft stark die Tendenz hat, all jenes, was nicht auf einfachstem Weg und mit einem Minimum von Einsatz erreicht werden kann, klar zu meiden.

Warum2

Was aber ist es, was die Ausbildung zum Offizier von Kaderlehrgängen der Privatwirtschaft unterscheidet und diese somit zu einem unvergleichbaren Erlebnis für alle Offiziere macht? Es ist die Tatsache, dass sich in nur 15 Wochen Freundschaften bilden, welche teils in so kurzer Zeit in der Intensität selbst lange Freundschaften aus dem Privatleben übersteigen können. So bleiben gemeinsam durchlebte Höhen und Tiefen stets in Erinnerung und verbinden Personen, welche sich sonst nie kennengelernt hätten, ein Leben lang. Gerade die Tatsache, dass während der Offiziersschule fast ausnahmslos alle einmal an ihre psychischen oder physischen Grenzen stossen, lässt die Freundschaften noch intensiver werden. Denn es gibt kaum eine Erfahrung, welche vergleichbar ist mit dem Erfüllen einer harten Übung oder gar dem 100km Marsches. Wer kommt im zivilen Leben schon innerhalb von nur 15 Wochen mehrere Male in Situationen, in denen er gezwungen ist Hilfe anderer anzunehmen?

Schlussendlich nicht zu vergessen, die grosse Erfahrung, welche man nach einem Jahr Militärdienst mitnimmt. Häufig wird man nach dieser Aussage von Zivilen belacht und hört die Worte „Was hat Erfahrung im Militär schon mit dem Zivilen zu tun?“. An dieser Stelle muss klargestellt werden, dass damit nicht die Erfahrung im Umgang mit Waffen oder anderen militärischen Systemen gemeint ist, sondern die Erfahrungen im schnellen Erfassen von Problemen, Erkennen der Schwierigkeiten, Beurteilen der Lage sowie die Erfahrungausch in unbequemen Situationen einen Entschluss zu fassen und diesen umzusetzen. All diese Prozesse, welche im Militär unter dem Begriff Führungstätigkeiten bekannt sind, können 1:1 so auch in der Privatwirtschaft angewendet werden. Dies ermöglicht es einem jungen Offizier, bereits auch im Arbeitsumfeld seine Erfahrungen im Bereich der Führung einzubringen. Weiter erwähnenswert ist die Genauigkeit, mit welcher ein Offizier gelernt hat ihm gestellte Aufträge zu erreichen.

Abschliessend kann gesagt werden, dass egal aus welcher Motivation heraus jemand die Ausbildung zum Offizier antritt, ihm eine reiche Ansammlung an Erfahrungen, Erlebnissen und Freundschaften mitgegeben wird. Dazu kommt, dass wohl die meisten Eltern, unbeachtet ihrer Grundeinstellung dem Militär gegenüber, letztendlich doch Stolz auf ihre Söhne und Töchter sind, wenn diese ihre Zeit in den Dienst des Landes stellen und Offizier werden.