Vom Rekruten zum Zugführer

Der Weg vom Rekruten zum Zugführer ist lang und steinig. Über den Soldaten zum Unteroffizier und schliesslich zum Offizier. Viele Hürden gilt es auf diesem Weg zu überwinden. Obwohl die Gesamtdauer im Vergleich zu früher verkürzt wurde, ist es für die meisten noch immer eine lange, aber auch unvergessliche Reise. Mit dem Einstieg in die Rekrutenschule ändert sich für viele junge Männer so manches in ihrem Tagesablauf. Die Ausbildung zum Offizier verlangt jedoch noch ein bisschen mehr … Von dieser Geschichte soll dieser Artikel erzählen.

Vom (fast) ahnungslosen Rekruten, der schon beim Anblick eines Offiziers nervös wird, bis zum Offizier, der genau diesen Respekt verkörpert. Doch wie macht man aus einem scheuen Rekruten einen stolzen und glaubwürdigen Offizier? Ein Beschrieb des Werdegangs
und der verschiedenen Wege, die dorthin führen, wo wir jetzt stehen.

Von Feriencamps und Survival-Expeditionen – oder: wie man sich den Militärdienst vorstellt

Die Rekrutenschule beginnt wohl bei allen gleich:
mit dem Aufgebot zum Informationstag, auf den alsbald auch die Aushebung folgt. Erstmals werden die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit getestet, was für den einen oder anderen schon das Ende seines Militärdienstes bedeutet. Immer noch in zivilen Kleidern, jedoch schon mit diversen Unterlagen ausgerüstet, rückt man dann, gemeinsam mit vielen anderen Rekruten, in die Rekrutenschule, kurz RS, ein. Bei fast jedem macht sich da langsam ein flaues Gefühl im Magen breit. Bei mir sah das ungefähr folgendermassen aus: „Sie betreten nun militärisches Gelände! Bitte halten Sie Ihre Unterlagen bereit.“ Mit diesen Worten wurden die rund 400 neuen Rekruten empfangen. Mit einem farbigen Blatt Papier ausgerüstet wurden wir zu einer grossen Turnhalle geführt, wo wir anhand der farbigen Blätter eingeteilt wurden. Etliche, die vor mir angekommen waren, standen in Viererkolonnen bereit. Die Zugführer ordneten die frischen Rekruten nach Grösse ein. Die ersten drückten bereits Liegestützen, andere versuchten sich die Grade einzuprägen. Denn bis Ende der Woche sollte jeder diese beherrschen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist den meisten nicht mehr nach Militär zu Mute. Doch lehrreich ist die Rekrutenschule für jeden. Man lernt, auf Details Acht zu geben und stets Ordnung zu halten, um unangenehme Konsequenzen zu ermeiden. Nach einigen Wochen RS hängt eine Liste auf, mit den Namen derjenigen, die für die Kaderausbildung vorgesehen sind. Darauf folgt ein Gespräch mit dem Schulkommandanten: „Sie haben eine Qualifikation zum Offizier erhalten, wollen Sie Offizier werden?“ Mit diesen Worten steht man vor der Entscheidung: Offizier – ja, nein? Die nachgeschobene Drohung „Falls Sie ablehnen sollten, werden sie Unteroffizier!“ erleichtert das Ganze nicht gerade. Mit diesen Worten steht eine Entscheidung an, die damals wohl jeden von uns zum Nachdenken anregte (lesen Sie dazu auch den Artikel „Warum Offizier“ auf Seite 46). Am letzten Abend der siebten Woche werden die Kaderanwärter zum Soldaten befördert. Danach trennen sich die, welche eine Kaderempfehlung erhalten haben, von ihren Kameraden und werden in die Unteroffiziersschule verlegt.

Rekrut Zugführer 2

Die Unteroffiziersschule – oder: wie Privilegien und Pflichten zusammenhängen

Kaum in der Unteroffiziersschule, ändert sich vieles. Nach Arbeitsschluss ist der Besuch der Militärkantine erlaubt, es steht ein Soldatenhaus auf Platz, ein Fitnessraum und viele andere Kleinigkeiten, die uns Spüren lassen, dass wir jetzt etwas aufgestiegen sind. Die Züge heissen jetzt „Klassen“, es gib einen Klassenchef, der für den Bestand und weitere Aufgaben verantwortlich ist. FUM1 ist ein wichtiger Teil der Ausbildung, ebenso die fachgebietspezifische Ausbildung. Auf diversen Übungen, teilweise auch mit der Offiziersschule, hat man die Möglichkeit, sein Können zu zeigen. Nach zehn Wochen und der Beförderung zum Obergefreiten trennen sich wieder die Wege. Die Offiziersaspiranten werden in eine eigene Klasse umgeteilt, um sich unter anderem auf den Offizierslehrgang vorzubereiten und in der Entschlussfassung, welche eine der wichtigen Tätigkeiten eines Offiziers ist, drillmässig geschult zu werden. Offizierslehrgang in Bern – oder: die Möglichkeit theoretisch einen Infanteriezug zu befehlen Im Offizierslehrgang in Bern werden die Offiziersaspiranten aller Truppengattungen zusammen in gemischten Klassen während vier Wochen in der Befehlsgebung und der Entschlussfassung geschult. Ebenso sind Besuche bei den Teilstreitkräften Heer und Luftwaffe auf dem Programm. Durch den Austausch profitieren alle voneinander und man kann Erfahrungen und Ansichten austauschen. Geschichte und Sicherheitspolitik sowie internationale Einsätze sind ebenfalls Themen der vielen Gastreferenten, welche wirklich wissen, von was sie sprechen. Aber ebenso werden auch Offiziersehre und -kodex sowie Knigge-Grundlagen vermittelt. Nebst der vielen Theorie durften wir uns damals in Bern aber auch an der Planung verschiedener infanteristischer Aufgaben auf Stufe Zug versuchen, wie eine Überwachung des Autobahnabschnittes Wankdorf oder der Bezug eines Standortes in einem Dorf im Emmental, in welchem alle Fahrzeuge versteckt werden sollten. Am Ende werden alle Absolventen des Lehrganges zu Oberwachtmeistern befördert. Mit vielen Informationen und Erlebnissen, wie zum Beispiel einmal den Kopf in den Nachbrenner eines FA-18 gehalten oder die Hand in den Lauf eines Panzers Leopard II gesteckt zu haben, kehren die meisten wieder zurück in ihren angestammten Lehrverband.

Offiziersschule – oder: „Naja, oooh, aua, warum will ich Offizier werden?“

Die Offiziersschule: eine Bereicherung für jeden, der das mal erleben durfte. Die meisten Aussenstehenden schütteln nur den Kopf, doch um so viele Erlebnisse und Erfahrungen zu sammeln, wie man dies in der Offiziersschule kann, gibt es nur sehr wenige Möglichkeiten. Obwohl auch bei uns alle freiwillig gekommen waren, mussten sich einige schon nach der ersten Woche mit Worten wie „Sorry, das ist mir zu anstrengend, das würde ich nicht überstehen“ verabschieden. Zugegeben, die ersten vier Wochen sind nicht wirklich einfach. Doch nach einiger Zeit entwickelt sich ein eingespieltes Team, man kennt sich gegenseitig mit allen Stärken und Schwächen ziemlich gut. Man bemerkt, wenn es jemandem nicht so gut geht. Diese Fähigkeit wird für uns später auch wichtig sein, um einen Zug zu führen. Zudem lernt man sich selbst besser kennen (Wie bin ich, wenn ich zwei Tage nicht geschlafen habe? Ganz ehrlich – gereizt, müde und etwas teilnahmslos; und denken braucht so seine Zeit). Es dauert nicht mehr lange, bis wir als Zugführer vor Rekruten stehen werden. Genau die Zugführer, welche für uns selbst noch vor einem Jahr die bösen Vorgesetzten waren.

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Die VBA

Auf die Offiziersschule folgt nach dem Kadervorkurs die Verbandsausbildung. Hier bekommen die frisch ausgebildeten Offiziere erstmals einen ganzen Zug (bestehend aus frischgebackenen Soldaten und Gruppenführern) unterstellt. So ist die Verbandsausbildung ein erstes Zusammentreffen junger Männer mit verschiedenne Rängen, Interessen und Funktionen. Dies kann viele Probleme aufwerfen, jedoch auch ganz neue, bisher noch nicht gemachte Erfahrungen hervorbringen. So kann die VBA als erste Feuerprobe für Offiziere, aber auch Gruppenführer angesehen werden. Sicherlich eine strenge Zeit mit wenig Schlaf, guten Erfahrungen und lehrreichen Erlebnissen.

Fraktionierung

Während der Kaderausbildung hat man die Möglichkeit, nach jeder Schule zu fraktionieren, was bedeutet, die Ausbildung zu unterbrechen, um sie zu einem späteren Zeitpunkt fortzusetzen. Dies ermöglicht es jedem, seinen Zielen und gleichzeitig auch den Bedürfnissen der Armee gerecht zu werden. Das Fraktionieren ist aber nicht so zu empfehlen, da man in der Zwischenzeit sehr viel vergisst und die körperliche Fitness in der Regel nachlässt. Durch Fraktionierung sind einige Korporäle (Unteroffiziere) der Armee 95 nach einem oder zwei (militärisch: „zwo“) Wiederholungskursen zu uns in den Offizierslehrgang gestossen. Diese bereicherten unsere Klassen sehr. Vor allem konnten wir von deren Erfahrung viel profitieren, was uns die eine oder andere schwierige Aufgabe vereinfachte.

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„Der Stress von heute ist die gute alte Zeit von morgen“