Gefechtsverlegung

Schüsse flitzen durch die Luft, lautes Knallen von Petarden und Granaten. Am Horizont verdichtet sich wie von Zauberhand der Nebel, innert kürzester Zeit ist alles grau und finster. Die Erde bebt, Holzschnitzel und Dreck schnellen empor. Richtig erkannt – Gefechtsverlegung in Altmatt. Neben der Durchhalteübung und der Gebirgswoche die wohl abenteuerreichste Woche der OS 65-3!

Top motiviert (auch die verbliebenen Waffenläufer, deren Nacharbeit vom Montag, 05.00 Uhr, verschoben worden war …) und mit grossen Erwartungen starteten wir unsere Reise nach Altmatt. Spätestens an der Ortstafel „2. Altmatt“ bemerkten die meisten, dass wir am Schiessplatz Altmatt vorbeigefahren waren. Das musste so sein, denn unser primäres Ziel war Sattel Dorf. Dort wurden wir von Maj i Gst Kimmig herzlich empfangen.

Mit Freude richtete sich jeder Aspirant in der grosszügigen Zivilschutzanlage gemütlich ein. Nicht nur das persönliche Material wurde ausgeladen, nein auch das persönliche Fahrrad. Wir konnten uns nicht vorstellen, was wir damit bloss anstellen sollten. Dies änderte sich rasch, als wir einige Minuten später das Fahrrad live „erleben“ durften. Die Verschiebung mit unserem bis zum Rand gefüllten Kampfrucksack erwies sich nämlich nicht gerade als „Spritztour“.

Dass die Strecke von Sattel hinauf (!) nach Altmatt eine Überholspur für Personenwagen hat, ist kaum erstaunlich, denn neben den ohnehin schon langsamen Lastwagen waren wir wie Schnecken unterwegs und kämpften teilweise um jeden Höhenmeter. Die etwas „légère“ Woche zuvor machte sich schnell in den Beinen bemerkbar. So hatte wohl jeder einen schier endlosen Kampf gegen seine innere Stimme, die anriet, das Fahrrad den Berg hoch zu schieben. Beim Schiessplatz Altmatt angekommen brauchten die meisten eine längere Verschnaufpause. Zum Glück gab es die auch, denn auf dem Programm stand die Einführung in das Gefechtsschiessen. Jeder Aspirant musste bis zum Abend ein Gefechtsschiessen oder eine Gefechtsübung planen.

Bei Gefechtsschiessen und -übungen geht es darum, einen Gruppenführer in seiner Funktion als Führer im Gefecht zu schulen und zu trainieren. Im Falle des Gefechtsschiessens geschieht dies mittels Feuer und Bewegung, wobei sich zwei Trupps gegenseitig Feuerschutz bis in die jeweils nächste Deckung geben und sich so dem Feind ohne grosse Gegenwirkung nähern können. Bei einer Gefechtsübung wird ein möglichst realistisches Gefecht mit unerwarteten Situationen, Dilemmas, verschanzten Gegnern etc. simuliert. Da es dabei zu heiklen Situationen kommen kann, wird dies mittels SIM (Simulationsausrüstung) durchgeführt. SIM weckt in fast jedem das Kind im Manne. Es handelt sich dabei um einen Laseraufsatz für das Sturmgewehr 90 kombiniert mit einer Sensorweste (siehe Film “Achtung, Fertig, Charlie!“). Abschüsse werden mittels (nervenden) Pieptons lautstark verkündet.

Nachdem wir also unsere Beine und unseren Geist beansprucht hatten, fehlte jetzt nur noch eines … Nochmals die Beine! Nicht schlecht staunten wir, als unser Klassenlehrer, Hptm Ineichen, den Verschiebungsbefehl mittels Beamer visualisierte. Immerhin ging es runter. Doch die Tatsache, dass die Fahrräder auf dem Schiessplatz Altmatt bleiben sollten, liess uns einen weiteren Gedanken durch den Kopf schnellen: „Wie kommen wir morgen bloss wieder hier hoch!?“ Offizierswürdig nahmen wir auch diesen Befehl an und setzten uns mit mehr oder weniger Vorfreude auf den Schlaf in Bewegung. Wie die meisten befürchtet hatten, brauchten wir für die zirka acht Kilometer lange Strecke trotzdem eineinhalb Stunden. Diese Erkenntnis zeigte klar und deutlich, dass wir am nächsten Morgen mit mindestens zwei Stunden (von Hptm Ineichen bestätigt) “Wanderung“ zum Schiessplatz würden rechnen müssen. Und dies, wie könnte es auch anders sein, wirkte sich auf unseren (nun nicht mehr so) erholsamen Schlaf aus, war das Frühstück beim Schiessplatz doch um 07.00 Uhr angesetzt.

Sehr langsam kamen wir am nächsten Morgen in die Gänge … bis zum Marsch. Den Aufstieg nahmen wir nämlich im Eiltempo und so musste sich auch der „bisher schnellste Infanteriezug“ (welcher zwei Stunden benötigt hatte; Aussage von Hptm Ineichen) klar geschlagen geben.

Gefecht 2

Auf dem Schiessplatz stand uns nun ein reinrassiges Gefechtsschiessen bevor, das von vorbestimmten Aspiranten aus unserem Zug geführt wurde. Der Zug wurde in zwei Gruppen geteilt, die auf zwei verschiedenen Arbeitsplätzen üben durften, je eine bei Maj i Gst Kimmig und Hptm Ineichen.

Die ausgewählten Aspiranten mussten unter Beweis stellen, dass sie sich als Übungsleiter eignen. Ein Übungsleiter ist, wie es der Name schon sagt, berechtigt, Gefechtsübungen zu leiten. Die Ausbildung zum Übungsleiter war das eigentliche Wochenziel unserer Schiessverlegung. Bestand man die notwendigen schriftlichen und praktischen Prüfungen nicht, ist man später nicht befugt, Gefechtsschiessen zu leiten und muss dafür fremde Hilfe hinzuziehen.

Die zuvor konzipierten Übungsszenarien wurden nun auf Herz und Nieren getestet. Dass sich das Bächlein auf dem Gefechtsfeld für Verschiebungen besser eignen würde, da man dort optimal vor gegnerischem Feuer gedeckt wäre, wollte niemand so richtig wahrhaben. Klarheit schaffte da nur Hptm Ineichen.

Einmal nass, war auch das nur halb so schlimm. Natürlich spielte auch das Wetter perfekt mit, auf Sonnenschein folgte Platzregen, dann wieder Sonnenschein. So ging es denn ganzen Tag lang – kaum war der Regenschutz montiert, schien uns die Sonne ins Gesicht, wieder ausgezogen, regnete es in Strömen.. Da sich das Bächlein durch den Platzregen rasch in einen Bach verwandelte, hatte bald niemand mehr auch nur einen einzigen trockenen Fleck auf der Kleidung.

Am Nachmittag folgte eine Gefechtsübung, in welcher wir in den „vier F“ beübt wurden. Diese stehen für: „Find, Fix, Flank, Fight“. Und dies bedeutet, kurz erklärt, den Gegner aufzufinden, ihn mit Feuer zu fixieren, dann mit einem Teil der Gruppe zu flankieren und zuletzt von der Seite und von vorne zu bekämpfen und vernichten.

Gefecht 9

Im ersten Gefecht wurden die Markeure (drei Aspiranten) ausser Gefecht gesetzt und der Auftrag durch die beübte Gruppe ohne Verluste zu Ende geführt. Darauf folgte durch Oberstlt Münchbach und Hptm Ineichen ein kurzes Briefing der Markeure. Diese wurden darauf neu platziert, jedoch wurden nur noch zwei eingesetzt. Das Briefing zeigte seine Wirkung schonnach wenigen Minuten. Zwar wurde schon nach einem kurzen Schusswechsel ein Markeur getroffen, doch der zweite, namentlich Asp Meister, nutzte die Gelegenheit und beendete das Gefecht mit maximalem Verlust für die Gruppe – von den acht Aspiranten „überlebte“ nämlich lediglich einer. Dies zeigt eindeutig, dass man sich sehr gut auf ein Gefecht vorbereiten muss.

Am Abend dann durften wir uns fast voll und ganz auf Genuss einstellen und uns diverse Demonstrationen von Waffen und Waffensystemen, wie Panzerfaust, Granatwerfer für das Sturmgewehr, Nebelkörper, Leinenwurfausrüstung und Sprengstoff jeder Art und Menge, zu Gemüte führen. Den Granatwerfer konnten wir selbst ausprobieren. Das Resultat: Freude in den Gesichtern der Aspiranten. Ob der Schiessplatzwart ebenfalls Freude verspürte, sei dahingestellt. Denn da das eigentliche Ziel, der Eingang eines Gefechtsübungs-Hauses, nur selten getroffen wurde, litt die Fassade desselben umso mehr. Wieder eine Verschiebung zu Fuss nach Sattel in die Unterkunft und am Morgen wieder hoch. Doch diesmal hatten einige Mühe. Wohl auch, weil es leider nur für drei Stunden Schlaf gereicht hatte.

Der Einsatz am Morgen bewies eindeutig, dass die Maslow‘sche Bedürfnis-Pyramide wirklich Recht hat! Diese sagt nämlich aus, dass Grundbedürfnisse, wie Schlaf, Essen und Trinken, gedeckt sein müssen, um Leistung in anderen Bereichen vollbringen zu können. Die Zeit floss und der Regen auch. So kämpften wir uns durch den – schon fast reissenden – Bach und motivierten uns mit dem Gedanken an den Ausgang. Nacheinem köstlichen Mittagessen und dem danach kurzen, aber erholsamen Schlaf, stand uns ein weiteres Gefechtsschiessen bevor. Der Donnerstag wurde ebenfalls von solchen eingenommen.

Am Freitag Morgen gab es eine zweite Chance, uns in einer Gefechtsübung zu messen. Wieder gab es drei Markeure, die versuchten, den Gruppenführer daran zu hindern, den Auftrag zu erfüllen. Der Gruppenführer, Asp Naef bewahrte jedoch in der Hitze des Gefechts einen kühlen Kopf und erfüllte seinen Auftrag mit fünfzig Prozent Verlusten. Trotzdem (oder eben gerade darum) bat er um einen zweiten Versuch, da er sehr viel aus dem ersten Gefecht gelernt hatte. Hptm Ineichen gab ihm diese Chance und voilà: Asp Naef koordinierte seine Soldaten so gut, dass er keine Verluste erleiden musste
und den Auftrag ohne weiteres erfüllen konnte.

So konnte zumindest die Gruppe von Asp Naef voller Euphorie die Rückverschiebung nach Dübendorf in Angriff nehmen. Alles musste wieder verladen und die Schiessplätze dem Schiessplatzwart abgegeben werden. Die Rückverschiebung erfolgte, dank der Koordination durch den XO der Woche, Asp Perroulaz, sehr speditiv. So durften wir die Reise mit den voll beladenen Duros in Richtung Dübendorf antreten – zumindest die meisten von uns. Drei Aspiranten, namentlich Scholl, Kaufmann und Alija, mussten vom Schiessplatz Altmatt noch etwa 45 km in Richtung Dübendorf marschieren, da sie den 60 km Marsch nicht vollständig bestritten hatten. Dies ist nach so einer Woche und mit doch schon ziemlich aufgeschwollenen Füssen eine beachtliche Leistung! Natürlich wurden sie dann vom Rest der Klasse gebührend empfangen.

Erstaunlich gut gelaunt traten wir dann am Samstag morgen ab in das wohlverdiente Wochenende! Klar waren alle froh, dass die Woche vorbei war, dennoch nimmt sicher jeder sehr viele positive Erlebnisse aus dieser Woche mit.

Gefecht 3

Gefecht 4

Gefecht 5