Gebirgswoche Andermatt
Andermatt, die Welt der Berge. Die Uem/FU OS 65-3 erlebte in ihrer siebten Woche Offiziersschule einen Eindruck von der klischeehaften Schweiz, der Schönheit der Natur, aber auch der kargen Bergwelt, der Anstrengung und der Körperkontrolle während jedem Schritt und Tritt. Ausgerüstet mit einer zweieinhalbtägigen Gebirgsgrundausbildung, begleitet und geführt von professionellen Bergführern wurde die Berg-, Orientierungs-, Anpassungs- und Durchhaltefähigkeit einer kleinen, eingeschworenen Gruppe ausgelotet.
Montag, 23. Juli 2007
Nach dem späten Einrücken vom Vortag war nach einer kurzen Phase Schlaf früh Tagwache in Andermatt. Kurz nach 05.00 Uhr herrschte reger Betrieb in unserer Unterkunft. Jeder war motiviert und neugierig, was uns wohl der erste Tag bieten würde. Doch bereits bei der Verschiebung zum Morgenessen mussten wir zur Kenntnis nehmen, dass es hier in den Bergen auch im Monat Juli ziemlich kalt sein kann. Einer der Aspiranten verkündete entsetzt, dass wir gegen die sieben Grad Celsius hätten.
Nach einem Kilometer Marsch zur prunkvollen, fast majestätisch dastehenden, Kaserne Andermatt erhielten wir unseren ersten Lohn für das Ausharren in der klirrenden Kälte, ein üppiges Morgenessen, wobei es an nichts mangelte.
Um genau 07.30 Uhr begann die Einführung mit anschliessender Theorie über das Gebirge im Theoriesaal. Wir wurden von Major Fiesci begrüsst, ein kleiner Tessiner mit einem grossen Schnurrbart. Maj Fiesci leitete unseren Kurs, insofern stellte auch er uns sein Kader vor, welches uns dann später im Gelände ausbilden und begleiten würde.
In den nun eingeteilten Gruppen ging es ans Materialfassen. Dieser Aufgabe sahen wir erfreut entgegen, schliesslich würden wir ja für eine Woche die Gortex- Jacke, -Hose und die Fleece-Jacke erhalten. So war es dann auch: Nebst vielem technischem Material, wie Steigeisen, Klettergürtel etc., wurde dann auch die neusteMilitärkleiderkollektion gefasst, welche den AdAs imGebirge zur Verfügung steht. Auch erhielt jeder von unsein paar Schalenschuhe, welche für eine bessere Gangart
im Gebirge sorgen würden.
Am Nachmittag ging es dann endlich ins Gebirge. Wir stiegen jedoch stufengerecht ein und verschoben mit zwo Mercedes Sprinter auf den Furkapass. Das Thema dieser Ausbildungssequenz war auf das „Orientieren und Gehenim Gelände“ begrenzt. Doch als unsere Bergführermerkten, dass wir uns nicht schlecht anstellten, konntenwir bereits einige technische Teile von der Ausbildung des nächsten Tages vorziehen. Am späten Nachmittag wurden bereits diverse Knoten geübt und wir wurden bereits einmal abgeseilt.
Nach dem Nachtessen stand noch der Materialdienst in der Kaserne an. Wir lernten schnell, dass dieser Dienst ein sehr wichtiger Bestandteil der Gebirgsspezialisten ist, schliesslich ist intaktes Material eine gute Lebensversicherung im Gebirge.
Die kleine Dorfkirche in Andermatt schlug noch nicht mal zehn Uhr abends, lag die Uem/FU OS 65 bereits in der Führungsanlage in den Betten und schlief friedlich, geschafft vom ersten „Höhentraining“ auf dem Furkapass.
Dienstag, 24. Juli 2007
Während dem Materialfassen wurde das Tagesziel bekannt gegeben. Die Fahrer wurden befohlen, auf den Gotthardpass zu verschieben. Auf der Tremola, der alten Passstrasse aus dem Jahre 1830, angekommen, wurde das Material gruppenweise aufgeteilt, damit mit der Kletterausbildung begonnen werden konnte. Während der Kletterausbildung besuchte uns unser Schulkommandant Oberst i Gst Fritz Alder. Beeindruckt vomWissen der Gebirgsspezialisten beobachtete er unsereersten Gehversuche in der Felswand.
Vom Kader wurde ein Begehbarmachungsparcours eingerichtet, anhand welchem uns demonstriert wurde, welche Möglichkeiten die Gebirgsspezialisten haben, um die anderen Truppengattungen beim Arbeiten im Gebirge unterstützen zu können. Natürlich wurde derParcours von uns allen absolviert.
Am Nachmittag mussten wir beweisen, wie man mit einem Kletterseil, welches von der Brücke hing, einer grossen Reepschnur und einer Prusikschlinge vom Bächlein hoch zur Brücke kommt. Der Trick mit den zwei Prusik-Knoten war schnell gefunden und wir angelten uns alle Stück für Stück hoch zur Brücke.
Der Abend gestaltete sich individuell. Fakultatives Nachtessen stand auf dem Programm, so suchte sich unsere Klasse grüppchenweise einen Platz in den diversen Bergrestaurants in Andermatt, wo der Tag friedlich ausklang.
Mittwoch, 25. Juli 2007
Die Liste des Materials, welches an diesem Morgen rausgefasst werden musste, war um einiges länger geworden. Den Fahrern wurde die Route befohlen. Es sollte erneut der Furkapass sein, jedoch an einer anderen Stelle. Als wir auf die Karte schauten, war schnell klar, um was es ging. Rund um unseren Ausbildungsplatz war es weiss. Um die Gebirgs-Grundausbildung zu komplettieren fehlten uns noch die Gletscherkenntnisse.
Am Rande des Gletschers angekommen, durften wir eine kurze Theorie über das korrekte Anpassen und Montieren der Steigeisen geniessen. Als jedermann diese altertümliche, doch effiziente Gehhilfe montiert hatte,liefen wir los. Vorerst bildeten wir keine Seilschaften, da unsere Bergführer das Gelände kannten und wir unszuerst an die Gangart mit den Eisen gewöhnen sollten.Nach zirka einer Stunde bildeten wir dann Dreier und Zwoer-Seilschaften. Begleitend zu den Ausführungen der Bergführer seilten wir uns gegenseitig aneinander an.
Einer der beiden gefassten Lunches bildete unser Mittagessen an diesem Tag. Wir setzten uns am Rande des Gletschers auf eine Felsplatte und speisten. Als Zusatzaufgabe über den Mittag mussten wir herausfinden, wie drei vom Bergführer ausgesuchte Gipfel heissen und wie hoch diese sind. So wurde aus MittagsschlafKartenlesen und aus Faulenzen Höhenlinien abzählen. Das einzig schwierige an dieser Übung war, unseren genauenStandort auf der Karte zu ermitteln. Hatte mandiesen gefunden, konnten die Gipfel schnell abgelesen werden.
Am Nachmittag testeten wir unsere Steigeisen aufs Exempel. Wir fixierten zwo Eisschrauben in der Eisschichtdes Gletschers und liessen uns in eine Gletscherspalteabseilen. Von dort aus versuchten wir so steil wiemöglich mit den Eisen noch zu gehen. Dies funktionierteerstaunlich gut. Von einem der Gebirgsspezialisten wurde dann noch eine kurze Demonstration gemacht,wie man jemanden aus einer Gletscherspalte bergen kann. Hierbei wurden zwei Varianten gezeigt, eine für ansprechbare Verletzte und eine andere für ohnmächtig Gefallene. Die Funktionsweise basierte jedoch bei allen Beispielen auf dem einfachen Flaschenzug.
Den Abschluss des heutigen Arbeitstages bildete eine kurze Höhenwanderung von ungefähr 1.5 Stunden zur SAC-Hütte Piansecco. Auf das Nachtessen waren alle gespannt, hatte doch jeder nach solch einem anstrengenden Tag Hunger. Die Betten waren schnell bezogen und ebenso schnell besetzt, denn jeder wollte frühestmöglich schlafen gehen.
Donnerstag, 26. Juli 2007
Bereits um 05.00 Uhr gingen an diesem Morgen in der Piansecco-Hütte die Lichter an. Eine lange Route stand uns bevor, welche sich diesmal nicht nur auf die Wanderwege beschränkte. Die Marschroute war demzufolge in der Theorie auf der ganzen Karte möglich.Um uns nach dem Frühstück einzulaufen, begannen wir die Tour auf einem Wanderweg, welcher in nordöstlicher Richtung von der Hütte wegführte. Doch nach einer guten Stunde gemütlichen Wanderns war es soweit, wir hatten die Stelle erreicht, an welcher wir den Wanderweg verlassen mussten. Also stiegen wir zuerst über eine Wiese gute 400 Höhenmeter auf. Irgendwann wurde die Wiese dann zu Fels und Geröll, doch auch dies sollte uns nicht daran hindern, unser Tagesziel, den Piz Pesciora (3120m) zu erreichen. Irgendwann hatten wir auch die Stelle mit dem Geröll überwunden, ab dann lag nur noch Schnee und Nebel vor uns. Wir tappten uns Schritt für Schritt nach vorne und legten so einen Höhenmeter nach dem anderen zurück. Dieses Teilstück war mit Abstand am anstrengendsten. Der Wind pfiff uns um die Ohren, mit dem Nebel hatten wir nur noch eine Sichtweite von wenigen Metern und der Boden war eisig und abschüssig. Jedem von uns war bewusst, ein Fehltritt und wir würden uns ein paar hundert Meter weiter unten wieder finden, in welchem Zustand wollte sich in diesem Moment niemand ausmalen. Aber es ging weiter, mit voller Konzentration auf die Schritte und den Halt unter den Füssen tasteten wir uns bergauf. Die anderen Gruppen konnte man hören als würden sie neben uns hergehen, der Schall wurde von den schroff emporragenden Felswänden dermassen kanalisiert.Doch in Wirklichkeit waren diese etliche Meter von uns entfernt, sehen konnte man sowieso niemanden, der Nebel war zu dick.
Es weiss heute niemand mehr genau, wie lange wir in dieser Umgebung noch weiterliefen. Irgendwann sagte unser Bergführer zu uns, wir sollten uns auf die Felsplatte setzen, die Passhöhe sei ganz nah. Wir glaubten ihm das und setzten uns hin, sehen konnten wir ohnehin nicht viel. Er sagte, dass er uns rufen würde, wenn wir nachstossen sollten, er würde den anderen Gruppen helfen, über den Grat zu kommen. Erst da merkten wir, wie kalt es eigentlich war. Wir sassen schweissgebadet da, während wir dem Wind zum Opfer fielen. Auch hatten wir Bedenken, dass Steine auf uns fallen könnten, denn wir hörten wie die anderen Gruppen an einem Seil den Grat hochkletterten. Dabei scharrten sie mit den Füssen immer wieder kleine Steinchen und Schutt aus der Felswand, welche dann nach unten stürzten. Das ganze Spektakel muss sich unmittelbar über uns abgespielt haben, wir hörten jedes Wort, jedes Kommando der Bergführer klar und deutlich.
Nach sicherlich über einer Stunde wurden wir gerufen, wir sollten nun auch zum Kletterseil kommen, wir würden dann über den Pass geführt. Also montierten wir unsere Kletterhelme und gingen noch ein paar Schritte bergwärts. Bald schon sahen wir den Grat, unser Bergführer sass oben und instruierte uns, wie wir uns mit den Händen hochziehen sollten. Auch bei uns fielen Schutt und Geröll aus der Wand. Es war steil. Der Grat war genau auf 3‘002 Metern über Meer, dieses Ziel konnten wir also gerade noch erfüllen, doch als wir uns die letzte Armlänge hochzogen und den Kopf über den messerscharfen Felsen streckten, waren wir alle ruhig. Es brachte keiner von uns noch ein einziges Wort über die Lippen. Etwa doppelt so hoch und ebenso steil wie es eben mit dem Kletterseil das letzte Stück hochgegangen war, ging es auf der anderen Seite wieder runter.
Von den Bergführern der anderen Gruppen war dort bereits eine Begehbarmachung eingerichtet worden, an welcher wir uns nun sichern sollten. Das Spektakel hatte also noch kein Ende gefunden, so stiegen wir ebenso mühsam wieder hinunter. Nach zweimaligem Abseilen und x-fachem Wechsel der Begehbarmachung erreichten wir wieder einigermassen festen Boden unter den Füssen. Wir standen nun auf dem nächsten Gletscher, auf welchem wir das Mittagessen einnehmen durften.
Nach dem Essen wurden wiederum Seilschaften à drei Mann gebildet, die Steigeisen wurden montiert. Nun ging es den Gletscher hinunter. Wir machten zirka zwohundert Höhenmeter, bevor wir erneut über eine kleinere Felswand mussten. Diese stellte jedoch kein grösseres Hindernis dar, also gingen wir direkt in den Seilschaften darüber. Wieder zurück auf dem Gletscher legten wir nochmals ein paar Höhenmeter zurück und kamen so gegen 18.00 Uhr in der SAC-Hütte Rotondo
an.
Vor dem Essen waren einige Aspiranten noch mit der Fuss- und Blasenpflege beschäftigt. Nach dem Essen waren alle relativ rasch im Bett. Mit solch einer anstrengenden Tour hatte niemand von uns gerechnet.
Freitag, 27. Juli 2007
Erstes Gesprächsthema nach dem Morgenessen war das bevorstehende Wochenende. Jeder von uns freute sich darauf, wir hatten es uns auch redlich verdient. Doch die Ernüchterung folgte wenig später gratis und ohne Bestellung, wir befanden uns noch immer auf gut 2‘500 Metern über Meer. Unsere Gebirgsspezialisten legten noch einen drauf und bereiteten eine Klettertour für diesen Morgen vor.
So war es dann auch, bevor wir uns an den Abstieg machten, wurde zuerst noch geklettert. Wirklich Lust darauf hatten die wenigsten, schmerzten doch bei allen die Füsse recht übel. Doch wir bissen nochmals die Zähne zusammen und absolvierten mindestens zwo Touren. Danach verstauten wir das ganze Material in den Rucksäcken und begaben uns auf den Abstieg.
Kurz vor dem Mittagessen trafen wir dann in der Kaserne Andermatt ein. Nach dem Schlussrapport mit Major Fiesci konnten wir unsere individuelle Heimreise antreten.
In unseren Köpfen wirkten noch immer die Erinnerungen und Gedanken an eine harte, schweisstreibende Woche, in der es viele Hinternisse zu überwinden gab. Aber auch Erinnerungen an eine Woche mit herrlichen Aussichten, wunderbaren Eiswelten, gewatigen Felsgebilden. Das Geleistete wird sicher allen noch viele Jahre in Erinnerung bleiben!