Durchhalteübung „KRÄHENFUSS“

Donnerstag Abend, 14. Woche der Uem/FU Offiziersschule. Schon lange wird getuschelt, was wohl in den nächsten sieben Tagen kommen wird. Gerüchte gibt es viele, doch sind die Geschichten wirklich wahr? Heliflug, schier unendliche Märsche, Velo fahren bis zum Umfallen? Alle sind gespannt, die Packungen auf den Zimmern längst bereitgestellt. Jeder versucht auf seine Weise, sich mental optimal vorzubereiten…

Dübendorf – Kaderausbildungszentrum. Nachtruhe wurde befohlen und den Aspiranten war klar, was das bedeutete – die DHU begann. Zirka 50 Minuten waren wir im Bett, schon hiess es: „Wecki-Wecki! Im Filmsaal in zehn!“ Dort nahm uns als erstes der Chef Regie, Major Kimmig, in Empfang. Wir mussten wieder einmal den heissgeliebten Aufsatz zum Thema „Warum wollte ich Offizier werden?“ schreiben. Selbstverständlich unter erschwerten Bedingungen: Es wurde sehr laute Musik abgespielt und der Major spielte noch ein wenig mit dem Licht herum, so dass man sich wie in einem billigen Club vorkam. Als weitere Auflage durften wir nur zwischen 140 und 160 Wörtern verwenden und hatten 20 Minuten Zeit. Nach der Abgabe wurden wir mit dem Satz: „Weiterhin eine gute Nacht …“ wieder ins Bett geschickt.

Wie erwartet war der Aufenthalt dort nur von kurzer Dauer, denn nach weiteren 40 Minuten mussten wir uns erneut im Filmsaal einfinden. Diesmal stand der Kommandant vor uns und zeigte uns den neuen Film der Schweizer Fallschirmaufklärer, „Beyond enemy lines“. Anschliessend gab es einen Kurztest über den Film. Erneut zottelten die Aspiranten zurück in die Unterkunft. Nachdem wir dann wieder aus den Federn getrommelt worden waren, war allen klar, dass es jetzt losgehen musste. In der Tiefgarage begann es mit der Materialkontrolle. Alles wurde akribisch genau kontrolliert und fehlende oder auch überflüssige Gegenstände wurden zu Protokoll genommen. Die Übungsleitung scheute weder Kosten noch Mühen und liess sogar die Militärpolizei antanzen! Diese Materialkontrolle zog auch Folgen für den Verlauf der DHU nach sich, wie sich später herausstellen sollte.

Nach einer kurzen Verpflegung traten wir die erste Phase an. Ein 50 km Lastenmarsch stand auf dem Programm. Die Packung hatte es im wahrsten Sinne des Wortes IN sich! Einige Dinge dienten ausschliesslich zur Erschwerung der Ladung.. Das Ziel des ersten Teilabschnittes war Nänikon im Zürcher Oberland. Dort wurde die Klasse halbiert und auf zwei M6 Schlauchboote verteilt, in welchen wir zur Badi Egg, wo wir den zweiten Teil des Lastenmarsches in Angriff nahmen, paddeln durften. Weiter gings zu Fuss. Die Packung begann immer mehr zu drücken, viel zu viele Pausen mussten eingelegt werden und das Ziel schien einfach nicht näher zu kommen. Man half sich wo man kann, wer mehr zu tragen vermochte, unterstützte die bereits angeschlagenen Kameraden. Kaum angekommen, ging es schlaflos weiter auf den ersten Velomarsch. Sinn davon war es, so erfuhren wir später, zu eruieren, wie lange wir durchhalten würden. Bei vielen machte sich die Erschöpfung langsam aber sicher bemerkbar, die Konzentration liess nach und manch einer musste sich wirklich überwinden, um nicht ständig in Sekundenschlaf zufallen. In Mels angekommen, folgte auf wenige Schlafminiten eine technische Fachdienstübung. In diesem Teil war es mit gutem Einsatz und speditivem Arbeiten möglich, ein wenig Schlaf nachzuholen.

Später gab es wieder einen langen Velomarsch. Dieser ging vom Zeughaus Mels zum Seedamm Center in Pfäffikon SZ. Auf dem Weg dorthin mussten wir unter anderem den Kerenzer Berg erklimmen, was vielen Mühe bereitete. Am Ziel angekommen, blieb leider keine Zeit, um uns im Alpamare zu vergnügen. Trotzdem, eine kurze Pause gönnte man uns.

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Jetzt mussten wir nur noch irgendwie zum nächsten Ziel, nämlich dem Schiessplatz Altmatt, kommen. Nun, die Übungsleitung hatte sich auch da etwas schönes ausgedacht: einen Strafmarsch! Die Länge des Umweges, welche die einzelnen Gruppen erleiden mussten, war davon abhängig, wie gut man im vorgängig abgelegten Test „Eiserne Ration“ abgeschnitten hatte und wie die Materialkontrolle verlaufen war. Im Klartext heisst das: Die Spitzengruppe musste nur einen Posten anlaufen, bevor sie zum Schiessplatz gelangte. Die letzte Gruppe musste vor dem Anlaufen des Ziels drei Posten aufsuchen. Dies machte für einige einen Weg von ca. 25 km aus. So wurden unsere Nerven stark beansprucht und auch die Müdikeit spielte ihre Macht mehr und mehr aus.

In der nächsten Phase der DHU ging es ausschliesslich ums Gefecht. Der Zugführer (Klassenchef) bekam den Auftrag, den gesamten Zug im Gefecht zu führen. Aufgrund der grossen Entfernungen zwischen den Gruppen gestaltete sich die Kommunikation sehr schwierig. Diese Übung war sehr zeitaufwändig und dauerte den ganzen Morgen. Danach galt es einen Waffenplatz-Orientierungslauf zu absolvieren. Auf dem Spiel stand das Mittagessen. Umso besser man sich im OL anstellte, desto mehr Mittagessen gab es. Die beiden Besten bekamen zur Belohnung ihrer Leistung sogar je zwei Lunchsäcklein. Besonders wurde darauf geschaut, ob die Aspiranten bis zum Schluss gerannt waren. Diejenigen, die das nicht getan hatten, gingen leer aus. Trotzdem ging keiner mit einem ganz leeren Magen in die anschliessende Gefechtsübung. Dies war dem guten Klassengeist zu verdanken, welcher sich übrigens durch die ganze Offiziersschule zog. Für die nächste Übung hatte sich der Klassenlehrer, Hptm Ineichen, einen ganz besonderen Parcours ausgedacht. Die Aspiranten mussten sich fiktiv gegenseitig in Deckung ziehen, dies natürlich im ABC Vollschutz mit aufgesetzter Gasmaske! Im zweiten Teil durften wir Jagd auf die Zielscheiben machen. Es „klöpfte“ also wieder mal so richtig.

Gegen Abend ging es erneut auf einen Velomarsch. Diesmal von Altmatt nach Göschenen mit Zwischenstation Morgarten. Dort hielten zwei Aspiranten ein Referat über die Schlacht am Morgarten. Es musste kräftig in die Pedale getreten werden, denn es ging stetig nach oben! Bei vielen kochten die Emotionen über und es wurde reichlich geschimpft. Auch bei dieser Verschiebung war es nicht möglich, dass alle das Ziel aus eigener Kraft erreichten, man half und unterstützte sich, wo man konnte. Dazu kamen noch Pannen, wie beispielsweise platte Reifen, hinzu. Trotzdem waren schlussendlich wieder alle bereit für die nächste Phase. Zusammenmit Major Kimmig gab es eine kurze Verschiebung zu einer Führungsanlage im Gotthard. Mit der ganzen Packungging es rund 1500 Stufen im Schrägstollen hoch! Was ist schon das bisschen Treppenlaufen … weit gefehlt! Es war ziemlich anstrengend. Oben angekommen, stand ein weiteres Simulationsgefecht vor der Tür. Über dieses Gefecht wurde bereits im Vorfeld spekuliert, da es scheinbar in einem ausgedienten Notspital stattfinden sollte. Zur Freude aller kam dies tatsächlich zu Stande! Es wurden drei Teams gebildet, wobei eines verteidigte und die beiden anderen angriffen. Sehr interessant war, dass man sich die Deckung der verschiedenen Räumlichkeiten zu Nutze machen konnte. Hinzu kam, dass diejenigen, die gleich am Anfang der Übung getroffen wurden, noch ein wenig Schlaf nachholen konnten. Nachdem die Teams sich zwei Mal mit Angriff und Verteidigung abgewechselt hatten, ging es weiter mit einem ganz besonderen Schmankerl: Der langersehnte Flug mit einem Super Puma (Aérospatiale AS 332; mittlerer Transporthubschrauber der Schweizer Armee) war an der Reihe! Alle, die noch nie einen solchen Flug erlebt hatten, waren sehr aufgeregt und konnten es kaum erwarten, endlich einzusteigen. Trotzdem konnten wir den Worten des Kommandanten nicht trotzen. Wie er es uns zuvor prophezeit hatte, ging es nur gute zehn Minuten, bis einer nach dem anderen einnickte. Das nächste Ziel war Fläsch GR. Von da aus ging es Richtung Festung St. Luzisteig, aber erst wurden die Aspiranten erneut auf ihr „bergsteigerisches“ Können geprüft. Nach dem Erklimmen eines Gipfels und einem weiteren netten Märschchen, trafen wir auf den Klassenlehrer, Hauptmann Ineichen. Vor ihm lagen zwei Sanitätsbahren auf dem Boden. Allen war klar, was nun folgen musste: Es wurden zwei Gruppen gebildet, welche zum Ziel hatten, je einen der dispensierten Aspiranten auf einer Bahre zu tragen. Damit das ganze nicht zu einfach wurde: selbstverständlich im Chemiewaffen-Vollschutz, mit Gasmaske und allem drum und dran. Die Strecke war etwa zwei Kilometer lang. Grundsätzlich tönt die Aufgabe einfach, doch war es recht mühsam! Zudem hatte praktisch jederAspirant eine andere Idee, wie es am besten funktionieren könnte, was für ein zwischenzeitliches Chaos sorgte. Schliesslich gelang es uns, uns bis zur Häuser- und Ortskampfanlage nahe St. Luzisteig durchzukämpfen, wo uns eine kleine Belohnung erwartete. Am nächsten Morgen hatten wir das Vergnügen, die Festung St. Luzisteig zu besichtigen und man versprach uns eine Mahlzeit. Doch erst wurden wir kräftig übers Ohr gehauen. Es wurde versucht, uns weiss zu machen, die Verpflegung sei nicht bestellt worden und falle darum aus. Kurzdarauf löste der Hauptmann den Scherz des Kaders aufund wir wurden in der warmen Cafeteria mit einem ausgiebigenBrunch verwöhnt! Von da an ging alles Schlag auf Schlag. Vor unserer letzten Verschiebung hatten wir die Gelegenheit, uns die Festung Magletsch näher bringen zu lassen. Die zivilen Führer waren mit Herzblut bei der Sache, was allen sofort auf- und gefiel. Später wurde die gesamte Klasse in die Bahn verfrachtet und nach Romanshorn TG gebracht. Dort angekommen, erwartete die Aspiranten vor der schwersten Prüfung, dem 100 km-Marsch, noch eine weitere unangenehme Angelegenheit: Diese Kleinaktion verdient den Übertitel „Lastesel“! Mit wirklich allem, was wir je an Material gefasst hatten, mussten wir zum Biwakplatz spazieren. Offen gesagt: Mehr als spazieren war mit einem solchen Gepäck auch absolut ausgeschlossen. Der nächste Tag stand ganz im Zeichen des Marschierens. Sage und schreibe 100 Kilometer standen auf dem Programm!

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Was ist eigentlich eine DHU und was bezweckt man damit? Nun DHU ist eine Abkürzung und steht für Durchhalteübung. Ziel einer solchen Übung ist es, angehende Offiziere auf physische und psychische Fähigkeiten zu testen und sie an ihre Belastungsgrenzen zu führen. Die verschiedenen Teilaufgaben und die Zeitverhältnisse sind bewusst eng gesteckt, so dass man automatisch in Stress gerät. Das dient den Aspiranten auch dazu, sich selbst kennenzulernen und zu erleben, wie sie unter Stress reagieren. Man arbeitet darauf hin, auch unter solch erschwerten Bedingungen noch führen zu können! Aufgrund ihres Grades, ihrer Verantwortung und der Wichtigkeit ihrer Position ist es für die Offiziere sehr wichtig, dass sie physisch sowie psychisch besser ausgebildet sind als ihre Unterstellten. Ein weiteres Ziel, das man nicht vergessen sollte: Erlebnisse schaffen. Erfahrungen dieser Art sind unbezahlbar und niemand kann sie einem wieder nehmen!

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